Freitag, 27. Januar 2012

Listen oder die Finns...

Meine Eltern fanden früher immer, ich sollte Schriftsteller werden. Und tatsächlich, kaum kleben die Finger auf der Tastatur, schon fliessen alle möglichen Dinge fein sauber auf den Bildschirm... früher ging das auch mit Papier und Stift übrigens. Jetzt habe ich das Listenmachen entdeckt. Nachdem meine komischen Symptome jetzt weggeschrieben sind, habe ich heute eine Seite mit einfachen Minimumregeln für unsere Familie entworfen... ähhm, inklusive wann und wie man höflich grüsst, wie man isst und so weiter. Minimalisierter deutscher Knigge für meine lieben Waldbewohner. Damit ich nicht alles zehnmal sagen brauche oder aus scheinbar nichtigem Grund explodiere (Mamis Nerven...). Na gut, da steht auch für meinereiner, dass ich endlich mal pünktlich kommen soll. Und dass man nicht aufs Handy schielt, wenn man sich miteinander unterhält. Die Klotür können wir mit jetzt vierjährigem Kind auch wieder zumachen *lach* Was aus meiner Sicht noch so frappierend unterschiedlich ist...
  • Finns grüssen nur wirklich Bekannte; noch fremde Nachbarn oder Kindergarteneltern zum Beispiel in der Regel nicht (kommt aber auch darauf an, ob Stadt oder Land) - grob unhöflich für die historisch viel früher verstädterten Teutonen *g*
  • Finns holen nur fremde Besucher von der Haustür ab und bringen sie dahin zurück, alle guten Freunde und Familienmitglieder kommen und gehen selbst wie sie lustig sind und ohne grosse Ankündigung und Gruss (habe ich mich immer noch nicht daran gewöhnt... meist sind die Haustüren aber auch offen)
  • Finns hören zu und lassen andere ausreden - und machen so lange Pausen dabei, dass der Germane zwangsläufig ins Fettnäpfchen tritt, wenn er dann aus Interesse zwischendurch nachfragt *ggg* (red doch nicht dauernd dazwischen!)
  • Finns sagen etwas einmal und das ist dann so - im Deutschen scheinen Dinge umso mehr Bedeutung zu haben, je öfter man sie wiederholt - also muss man sich alles sofort beim ersten Mal merken *wichtig*
  • Dafür können Finnen einmal gefasste Pläne auch genauso flexibel wieder ändern, ein Anruf oder sms genügt - der Germane flippt aus bei so etwas *lach* 
  • Finns essen um 11 Mittag, um 17 Uhr warmes Abendbrot und um 20 Uhr ne Schnitte - aber das hatten wir ja schonmal *lach*
  • Finns teilen sich auf Parties, Ausflügen usw. ganz oft in Männchen und Weibchen statt als Paare herumzuhängen. Hat auch was mit der Saunakultur zu tun, schätze ich. Paare sind als solche kaum zu erkennen. Und one night stands nicht wirklich selten.
  • Sauna geht natürlich nur mit gleichgeschlechtlichen Freunden und Kollegen, oder in der ganz engen Familie. Da schämt sich dann, im Gegensatz zu den Angelsachsen, natürlich niemand nackt herumzulaufen. Der Finne saunt, so wie wir duschen, zwei bis dreimal pro Woche. Und die meisten duschen danach warm *g*
  • Zuhause wird nur auf Socken gelaufen, oft auch in Schulen und Kindergärten - aber das ist bei uns in Ostdeutschland eigentlich auch so.
  • Viele finnische Männer erscheinen aus deutscher Sicht etwas rücksichtslos... essen gleich, wenn das Essen auf dem Tisch steht und nur mit der Gabel, gähnen ganz offen, rülpsen oder hicken auch mal und popeln in den Zähnen - manchmal erinnert mich das Gähnen und das gelangweilte Zurseitegucken an die Beschwichtigungen bei Hunden, weil es ganz oft unter Freunden gemacht wird, auch am Telefon, vielleicht um die entspannte Situation hervorzuheben - der Germane riecht dagegen sofort absolutes Desinteresse :)
  • Finns haben keine Gardinen an den Fenstern, auch wenn Licht an ist, und in der Regel keine Zäune ums Haus. Passenderweise gilt es als grob unhöflich, auf fremden Höfen herumzulatschen und in Gärten und Fenster zu starren.
  • Finnische Kids traben oft den Eltern hinterher statt an der Hand, sogar auf Parkplätzen. Dass man so schneller vorwärts kommt, habe ich auch schon gemerkt.
  • Finns halten grundsätzlich nicht an Zebrastreifen. Warum das so ist, ist mir letzte Woche klargeworden, als ich mit blockierten Reifen schräg und sehr panisch guckend auf einen Studenten zugebrettert bin, der das wohl nicht wusste. Unter Schnee sieht man die Dinger nämlich nicht. Die sind praktisch überall. Und dann wäre ja da noch der Hintermann... Eigentlich hätte man die weisse Farbe dann von vornherein sparen können, denn von suojatie kann keine Rede sein :)
  • Und dann war da noch der alte Witz von dem norwegischen finnischen Farmer, der seine Frau so sehr liebte, dass er es ihr fast gesagt hätte... hihi.
Mal sehen, wie das klappt. Gestern war der Finn schon so lieb und gesprächig, die ganze Woche hat er Tiita abends gehütet, und erst ganz spät am Abend stellte sich heraus, dass er den Zettel am Kühlschrank noch gar nicht gesehen hatte. Wie gesagt, er war ja aus guten Gründen mal mein bester Freund *lach* Die Kleine war da schon lange im Bett, während Mama das Zumbabein schwang, duschte, die Präsidentendebatte im TV verfolgte und zum ersten Mal mit Cousinchen skypte... 

P.S. Das "Finns" hat sich bei mir seit meinem englischsprachigem Studium hier so eingeprägt.. für die liebe, skurrile Art der crazy Finns, wenn es um interkulturelle Themen geht, vielleicht überspitzt und aus meiner eigenen Sicht. Im Gegensatz zu den exotischen "Finnen", wie ich sie vorher nur aus Büchern kannte, und den viel vielschichtigeren "suomalaiset", die jetzt meine vertrauten Mitbürger sind, deren Sprache ich verstehe, deren ernste gesellschaftliche Anliegen ich kenne und mit denen ich täglich zu tun habe.  Ich wäre gern ein Finn und ärgere mich oft selber, wenn meine eigene Kultur da innerlich quertreibt, andererseits schnappe ich natürlich alles Gute von beiden gerne auf, vor allem, wenn ich weiss, warum etwas so und nicht anders gehandhabt wird =) 

2 Kommentare:

  1. Ach weisst du,manchmal haette so ein schweigsamer unemotionaler finn auch was fuer sich :) (wenn man so einen hochemotionalen, alles und jeden kommentierenden franzosen hat zuhause hat) hat alles seine vor- und nachteile...

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  2. *lach* Vieles erinnert mich an die Zeiten, als ich in Nepal lebte und einen Nepalesen plus family hatte. Für mich waren speziell die offenen Haustüren ein Problem.
    Dafür habe ich das "zu spät kommen" verinnerlicht.
    Euch Alles Gute!!!
    LG Sabine

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