Donnerstag, 5. April 2007

Järkyttynyt...

Heute ist wahrscheinlich mal wieder ein Tag, den man von vornherein aus dem Kalender streichen könnte. Oder eigentlich schon gestern. Alles fing abends an, als meine Mom am Telefon über einen Nebensatz stolperte, in dem ich erwähnt hatte, dass Hugo den Nachnamen seines Papas bekommen wird. Sie war furchtbar enttäuscht und ich war total verwundert - ich kenne so viele Paare hier, die das so gemacht haben und hatte es für total normal gehalten. So wird der Daddy doch erst recht an die Familie gebunden, wenn man noch nicht verheiratet ist, und natürlich ist es in Finnland einfacher, mit einem finnischen Namen herumzulaufen statt jedesmal die Visitenkarte zücken zu müssen. Ich finde Schatzis Namen auch wirklich schöner als meinen *seufz* - aber meine Familie denkt, ich mag sie nicht...


Dann haben wir heute die Entbindungsstation im Krankenhaus besichtigt. Ich hatte ja schon schlimmes befürchtet, weil ich weiss, dass man in Finnland nicht viel von alternativen Geschichten hält und überhaupt das Gesundheitssystem neuerdings sehr unter Einsparungen leidet. Sowas wird natürlich international nicht an die grosse Glocke gehängt, aber wenn man hier wohnt und Zeitung lesen kann, bekommt man so einiges mit. Naja, ich dachte, es würde schon okay sein, eine Alternative haben wir ja eh nicht und eigentlich sind die Finns ja immer sehr bemüht, freundlich und wissenschaftlich auf dem letzten Stand.

Aber - wie befürchtet - es ist alles sehr technisch und eben krankenhausmässig dort. Nichts mit kuschligen Räumen, die sanft beleuchtet sind, wo man Musik hören oder sonstiges esoterisches Zeug anstellen kann, nichts mit Babybildern, niedlichen Geburtsanzeigen oder Stofftieren an den Wänden, wie man das in deutschen Zeitschriften und im Internet so oft sieht, sondern einfach nur kahle Krankenhausflure, Rollbetten, überall Schränke mit Utensilien, ein sogar nach eigenen Worten veralteter Ultraschall, winzige Gästezimmer, Anweisungen an den Wänden und und und. Der Kreissaal ist auch wie aus dem Gruselkabinett - bräunliche Kacheln, ein grosses Krankenhausbett in der Mitte und nur Schläuche, Apparate und Utensilien darum. Weia... und dann auf dem Flur auch noch ein Schrank mit Metallgeräten, Zangen, Spritzen usw. und ein Wandbild mit halb verblichenen grusligen 70er Jahre Bildern. Ich hoffe nur, dass ich da schnell rein und genauso schnell wieder raus kann.

Eigentlich hatte ich schon als Teenager von einer Wassergeburt geträumt, aber ich wusste glücklicherweise aus dem finnischen Internet, dass das hier absolut unüblich ist. Nur im Warteraum für die Eröffnungsphase gibt es eine klitzekleine Wanne in einem winzigen dunklen Raum. Vielleicht müssen wir einfach da bleiben und die Tür abschliessen, bis Hugo da ist *lach* Oder mein aufblasbares Plantschbecken mitbringen. Auf meine Frage, wieso eigentlich Wassergeburten in Finnland so selten sind, meinte die Hebi, dass wir halt Menschen sind, die an Land gebären und keine Delphine *örks* Ausserdem halten die Finns das für unhygienisch. Sie sagte auch, dass früher Hausgeburten üblich waren, aber heute "braucht man das zum Glück nicht mehr". Irgendwie witzig, wie sich solche Einstellungen von Land zu Land unterscheiden - in D sind ja gerade Wasser- und Hausgeburten wieder sehr im Kommen. Wirklich einschätzen kann ich die Vor- und Nachteile als Laie nicht, aber ich weiss, dass ich eine absolute Wasserratte bin und kann mir vorstellen, dass es mir geholfen hätte.

Naja, wir haben keine Wahl, es fehlt halt einfach der Wettbewerb hier... ich weiss aber jetzt, dass ich so lange zu Hause auf meinem kuschligen Sofa bleiben werde wie nur möglich und dass wir unser Schlafzimmer richtig wunderschön einrichten werden, damit Hugo sieht, wie schön und babyfreundlich die Welt sein kann *lach* Mika hat natürlich mitbekommen, dass ich mal wieder ziemlich enttäuscht war. Er regt sich dann immer auf, wieso ich dann überhaupt hier wohne und sagt "wir sind hier in Finnland" und nicht in Germany, Schweden oder gar Amiland. Die Finns reagieren oft so, wenn man sie kritisiert, leider... als ob man nicht auch von anderen Ländern etwas lernen könnte. Aber sie wollen halt immer die Besten sein.

Aber was solls... wir sind dann nach Hause gefahren, ich war ziemlich müde und hungrig. Als wir um die Ecke zu unserem Haus bogen, traf mich der nächste Schlag. Der Wald ist weg!!! Unser Wald! Die haben den Wald rings um unser Wohngebiet abgeholzt!!! Mir wird jetzt noch schlecht, wenn ich an den Anblick denke und ich grusle mich schon davor, nachher zum Parkplatz zu gehen. Wir haben unsere Reihenhäuser auf einer Seite der Strasse am Hang eines Berges und auf der anderen stehen Fichten, wunderschöne grosse Fichten, Kiefern, Birken und richtig schöner Wald, in dem wir immer mit Nelson spazierengehen.


Ein Traum, wenn sie sich sanft im Wind wiegen oder wenn sie im Winter voll Schnee sind. Man sieht sie sogar vom Bett aus. Jetzt ist dort ein Streifen von ca. 50 m abgeholzt. Ohne Ankündigung, ohne alles, einfach weg und die Sonne scheint durch. Die blöde Maschine war noch dabei, die majestätischen Stämme zu Latten zu verarbeiten. Ich werde wahnsinnig... natürlich kullerten gleich wieder Tränen und mein doofer Freund hatte nichts besseres zu tun als zu sagen, ich solle mich doch da anketten und protestieren... haben Männer eigentlich überhaupt Gefühle? Zum Glück hat er gleich darauf angerufen und normal mit mir geredet - er versteht halt vieles nicht, was das verrückte deutsche Fräulein so denkt und fühlt *seufz*


Der schöne finnische Wald mit Heidelbeeren, Hasen, Rentieren, Bären, Wölfen und den grossen bemoosten Steinen... unter anderem deshalb sind wir überhaupt hierher gezogen. Die bauen dort sicher neue Häuser hin. Ach Scheibenkleister...

2 Kommentare:

  1. Ach du Arme, ich spende hiermit mal eine Runde Mitgefühl! Dass aber auch alles immer zusammenkommen muss...!

    Ich habe gerade erst irgendwo, wahrscheinlich im Vauva-Lehti oder so, gelesen, dass Jyväskylä eines von finnlandweit nur vier mit dem Prädikat "babyfreundlich" ausgezeichneten Krankenhäusern hat. Hm, das find' ich ja nun komisch, denn wenn ich so vergleiche, dann denke ich, ist es hier in Turku doch irgendwie netter.

    Allerdings, glaub' mir, auf die Ausstattung und Dekoration kommt es eigentlich überhaupt nicht an. Wichtig ist, dass die Hebammen und Schwestern nett und vor allem entspannt sind, und das sollte ja bei Finnen kein Problem sein *lach*. Sie waren es sogar, als ich Anniina ausgerechnet an dem Tag mit den meisten Geburten zur Welt bringen musste. Unsere Hebamme kam erst nach Anniinas Geburt mit ein paar Socken in der Hand zurück, zog sie sich an und meinte, sie wäre seit Dienstantritt noch nicht dazugekommen...
    Ausserdem, glaub' mir, dir werden, wenn es so weit ist, ganz andere Sachen wichtig sein als ein nett aussehender Kreisssaal! *lächel*

    Es wird bestimmt alles wieder gut! Nur mit dem Wald, da ist wohl nichts mehr zu machen... :-(

    Hyvää Pääsiäistä!

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  2. Danke! Da bin ich doch überrascht. Hihi, vielleicht ist es ja babyfreudlich, aber nicht unbedingt mamafreundlich =) Aber egal, wir werden das überstehen. Sind ja eh nur ein paar Tage.

    Ich glaube, dass ich die Sache auch schnell wieder vergessen hätte, wenn nicht noch dieser abgeholzte Wald gewesen wäre. Drei Schocks auf einmal waren dann doch zuviel.

    Aber heute ist wieder alles in Ordnung. Wir können es ja eh nicht ändern... *finnenfatalismusaufsetz* =)

    liebe grüsse nach turku¨
    susku

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