Sonntag, 4. Juli 2010

Luosto...

Um Mitternacht die letzten Fotos gemacht. Mit roter Sonne zwischen den Bäumen und noch ganz hell. Dann natürlich bis Mittag geschlafen. Glücklicherweise ist unsere Kleine noch nie von selbst zwischen 4 und 11 Uhr morgens wach geworden =) Ihr erster Satz heute war "Das Auto ist nass geworden". Oh, Dauerregen draussen. Ist aber auch nicht schlimm, vielleicht ersaufen so wenigstens einige der Milliarden schwirrenden Nervmücken vor der Haustür. Ausserdem wollten wir eh heute erst einmal nichts anderes machen, als unseren Ort zu erkunden und einzukaufen. Gestern die Broschüren hatten einiges offen gelassen, nämlich vor allem, ob und was im Sommer offen sein würde, was im Winter zum Normalprogramm gehört. Wo man langgehen und -fahren kann, ohne Ski oder einen Motorschlitten unter dem Hintern zu haben. Und überhaupt mit Kleinkind und ohne von den Moskitos aufgefressen zu werden.

Also nach zwei Stunden Anziehen (!) und Frühstück alle ins deutsche Auto gepackt und losgebrummt. Die paar Kilometer nach Luosto waren schnell erledigt und dann sahen wir da auch lauter grosse graue Holzgebäude und bunte Hinweisschilder vor dem wunderschönen riesigen Tunturi. Amethystbad und -hotel, Scandic Luosto, kleine Läden und jede Menge im Wald versteckte Ferienhäuser. Und immer wieder wollgrasbetupfte Moore und Seen. Alles um diese Jahreszeit sehr verlassen, hihi. Auf den grossen einsamen Parkplatz vor den Skiliften gekurvt und gerade angefangen zu überlegen, was wir jetzt noch suchen und machen wollen (K-Market?), als ich wieder in lautes Lachen ausbrechen und fast den Finger durch die Windschutzscheibe pieksen musste. Mitten auf dem Grünstreifen, mitten auf dem Parkplatz ein paar Meter vor uns ein äsendes Ren, wie eine Statue. Braun und mit dem Kopf unten. Hahaha.

Langsam rangefahren und mit drei Kameras und zwei Handies bewaffnet aus dem Auto gesprungen. Oma schimpfte, weil wir im Dauerregen und allgegenwärtigem Mückenangriff sämtliche Türen offen gelassen hatten und das Kind ohne Mütze draussen war - aber egal. Hauptsache Poro. COOOL. Ein weiterer Blick enthüllte, dass der Rand des Parkplatzes voller weiterer Geweihträger war. Braune und graue und weisse... und alle mit wunderschönen, grossen Geweihen und flockig abfallendem Winterfell. Wow. So schön. Natürlich sind wir ihnen mit der Fotografiererei auf den Keks gegangen und konnten uns selbst auch kaum einkriegen. Frida mit nassen Haaren wusste gar nicht, ob sie sich totfreuen oder Angst haben sollte, sie ging immer wieder ran und rief dann "die essen mich auf" und war wieder weg.

Opi stand seelenruhig vor den riesigen Hörnern, Männe filmte und filmte und sagte gar nichts mehr und meiner einer wusste nicht, ob er zuerst mit der richtigen Kamera fotografieren oder doch lieber ganz frische Handybilder auf Facebook posten sollte. Meine Güte! Das ganze trostlose Luosto war hinter den wunderschönen Tieren verschwunden. Grinsend musste ich auch daran denken, wie genervt wir beim internationalen Lapplandurlaub im Herbst 1999 von den hundersten Rentieren auf der Landstrasse gewesen waren, nachdem wir den ersten Exemplare noch stolpernd bis in die Kittiläer Sümpfe verfolgt hatten. Das passiert diesmal bestimmt auch noch. Verdammte Poros... die Luostoer legten sich dann seelenruhig auf einen grossen Sandhaufen zur Siesta. Und als wir doch endlich den K-Market suchen fuhren, kamen uns noch ein paar mit den Füssen knackend auf der Strasse entgegen. Und natürlich stand hinter dem Markt noch eins, ganz weiss und mit Glocke um den Hals *freu* Übrigens hatte Frida nach dem Besuch beim Weihnachtsmann laut gesagt "Mami, weisst Du was? Ich dachte, hier liegt Schnee!!!" Gut erkannt, Kleines!

Der herbeigesehnte urige K-Market wurde - ich hätte es fast geahnt - von einem Schild geziert, dass Sonntag geschlossen sei. Unser Kühlschrank gähnte aber vor Leere. Nix weiter in Sicht. Also Pyhä? Nur ein kleines bisschen grösser als Luosto und ein paar Kilometer weiter? Männe winkte ab - lasst uns die 40 km nach Sodankylä fahren, in die Kreisstadt. Auja, da wollte ich schon immer mal hin, allerdings nicht so schnell, sondern als Tagesauflug irgendwann nächste Woche. Kling so wild und nordisch und exotisch... vor allem auf der Wetterkarte und den Klimatabellen in meinen hunderten Finnlandbuchern zuhause. Allerdings sah das dann auch wie jede finnikliche Kleinstadt aus. S-Market neben K-Market neben Alko und den üblichen anderen Ketten *lach*.

Wir müssen das aber unbedingt noch genauer erforschen gehen. Diesmal nur 130 Euro im lokalen S-Bonusshop gelassen, vergessenes Handtuch und vergessene Fridasocken und jede Menge Fressalien eingesackt und fünf knallvolle Tüten rausgeschleppt. Warm war es übrigens, richtig schwül, ganz bestimmt über 20 Grad. Nicht dass jemand denkt, in Lappland ist es im Sommer kühl. Jyväskylä hatte heute übrigens auch 30 Grad und alle sind vor Hitze umgekommen. Von Sodankylä sind wir also wieder nach Süden getuckert. Noch ein kleiner Halt am Porttikoski, wo ein Schild auf Stromschnellen hinwies. Auto durch den flechtenbewachsenen Wald gesteuert, irgendwo an einen Parkplatz gestellt und geguckt, wo denn da nun etwas sei.

Ein paar Meter inmitten surrender Mückenschwärme gelaufen. Irgendwie wirklich fantastisch, wenn einen da hunderte Biester umsummen (der Ton ist schlimmer als diese Vuzuelas, sage ich Euch!!!), sich aber nicht trauen zu landen, weil man sich mit einigen Litern original finnischem Off eingedüselt hat. Tolles Deo. Wegen der Mückenviecher haben wir auf einigen Bildern übrigens auch eine Kapuze auf und langärmlige Sachen an, ansonsten wäre das überhaupt nicht nötig gewesen. Der Wald endete an einem heruntergelatschten Elchzaun und dahinter ging es zig Meter in die Tiefe, zu einem relativ schmalen, dunklen, gurgelnden Wasserlauf. Spannend. und mit so wilden Ufern und verknorrten Bäumen überall.

Noch spannender war es allerdings, die übermüdete Frida davon abzuhalten, geradewegs in die Tiefe zu hopsen. Puuuh. Vier Erwachsene und ein Kleinkind... das ist wirklich ein gerade ausreichendes Betreuungsverhältnis in unserem Fall. Noch ein, zwei Fotos gemacht, Kiefernzapfen gesammelt und Mücken totgehauen und wieder ins Auto. Frida hat Lieder über Rentiere und Doppelstockbetten und Mökkis gesungen, ist aber nicht eingeschlafen. Dann hat Männe die leckerste Lachssuppe der Welt gekocht. Mami aufgeräumt und Bett gemacht und Magenschmerzen auskuriert (binationaler und generationsübergreifender Stress...).

Dann Abendbrot gegessen, überdrehtes Kind ins Bettchen gebracht, dabei selbst wieder eingenickt, aufgeweckt wurden, dann noch Pläne für morgen geschmiedet und mit Männe eine kleine Runde zu Fuss durch die Muckenpampa gedreht (danke Omi und Opi für den Babysitterservice), Luxuskörper in die Sauna geschmissen, ein Lapin Kulta geköpft und ins Bett gefallen - nur um bei der Helligkeit kein Auge zuzumachen und dann noch schnell Blog zu schreiben. Notepad wegen fehlendem WLAN, aber das können wir alles noch später mit dem passenden Datum posten. Hauptsache in der stimmung des Augenblicks geschrieben. Und Fazit: Rentiere super!!! Mücken Scheibenkleister und wir müssen unbedingt mal wieder im Herbst oder Winter wiederkommen, wenn das hier alles ganz anders aussieht und viel mehr los ist. Aber noch haben wir ja gar nichts gesehen!

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