Ich musste heute nach ewig langen Zeiten mal wieder ein Wort richtig im Wörterbuch nachschlagen. Lumoava. Als so etwas bezeichnete Helena, eine von Fridas neuen Erzieherinnen, unsere Tochter, und war dabei ganz begeistert. Es heisst zauberhaft, faszinierend, glamourös... und darauf war sie gekommen, als ich berichtete, dass der zweite, private Kindergarten bei uns im Wald um die Ecke angerufen hatte, um uns mitzuteilen, dass dort jetzt noch ein Platz freigeworden war.
Eigentlich hatte sie am Nachmittag beim Abholen gefragt, wie es Frida denn gefällt, ob alles okay ist. Fast erschrocken guckte sie bei meiner Nachricht, und war sichtbar erleichtert, als ich erzählte, dass ich den Platz postwendend abgesagt hatte. Und zwar, weil sich Frida in der jetzigen Kita sichtlich wohl fühlt, weil ich keine Lust habe, sie noch einmal irgendwo einzugewöhnen, weil man beide nur über dämliche Berge mit einem halbstündigen Fussmarsch erreicht, weil der hier etwas billiger ist, die Mama sich über die moderne Architektur und den riesigen Spielplatz freut, die vielen Kinder und der Strassenlärm gar nicht schlimm sind und ich ja hier über einen finnischen Otto-Normalverbraucher-Kindergarten bloggen muss, hahaha.
Im Ernst gab auch noch Pinnis Blog den Ausschlag... demnach kann es nämlich sein, dass man in einem privaten, nur von der Stadt unterstützen Kindergarten keinen Ganztagsplatz bekommt, wenn man selbst zuhause ist. Böse Falle... es kann ja ganz schnell passieren, dass einer von uns arbeitslos wird oder Frida noch Geschwister bekommt. Klar könnte man dann auch noch wechseln, aber das ist mir zu nervig - und auch prinzipiell ungerecht. Zumal eskari, die Vorschule, eher in dem grossen als in dem kleinen Kindergarten organisiert wird, in Fridas Fall sogar in ihrer eigenen Gruppe. Und das ist schon in zwei Jahren.
In Finnland gibt es bei den staatlichen Kindergärten übrigens das subjektive Recht auf einen Platz - das heisst, selbst wenn die Eltern zuhause sind, kann das Kind trotzdem für 0-250 Euro im Monat (je nach Einkommen, private ungefähr 10% mehr) eine Kita besuchen. Das gefällt einigen Leuten gar nicht, weil angeblich so Steuergelder verschwendet werden, aber mit Blick auf meine heimatliche Gesellschaft kann ich nur sagen, dass Kinder aus bildungsfernen und ausländischen Familien so von Anfang an besser gefördert werden können. Müssen muss man ja trotzdem nicht, und wenn man mit mindestens einem unter Dreijährigen zuhause bleibt, bekommt man eine Herdprämie, weil die Stadt so das Geld für den Kindergartenplatz eingespart hat. Sehr durchdacht und effizient. Nur, dass das Kindergeld jetzt von 100 € auf sensationelle 100,40 € (das ist kein Schreibfehler...) erhöht wurde, fand ich etwas mau und auch eigenartig *ggg*
Aber zurück zu meinem schönen Wort... die Erzieherin sagte sofort und aus vollem Herzen, dass sie Frida auch gar nicht mehr hergegeben hätte =) Mit Krallen und Zähnen hätten sie sie festgehalten (sagt man so auf finnisch). Sie sei so fröhlich und lebendig und aktiv, mache gern bei allem mit, esse mit grossem Appetit, lache und freue sich immer, habe gute Ideen und sei ein richtiger Sonnenschein und so. Stimmt... aber sie sei auch ein bisschen wild, sagte eine scheu guckende deutsche Mama. Jaa, aber das macht nichts, sie ist so toll, freute sich die finnische Frau vom Fach. Na dann.
Zur Unterstreichung dieser Lobrede beschloss Tiita, dass man auch mit einem nur kurz rückwärts hingeworfenen heippa gehen könnte, ohne sich richtig zu verabschieden. Rannte grinsend weg und liess sich weder von uns noch von der Fachfrau davon überzeugen, zurückzukommen und anständig "hei hei" zu sagen. So ein Satansbraten. Jaja, sobald Mama und Papa dabei sind, mutiert das faszinierende Geschöpf zur Stinkhexe. Uns war es ziemlich peinlich, aber so ist sie halt. Positiv und negativ mit riesigen Amplituden, mal laut lachend und begeistert und hüpfend und dann wieder brüllend, tretend und bockig wie ne Zicke. Frida live =)
Die Frau zeigte aber wieder einmal wie man es richtig macht. Ging hinterher, auch wenn es sehr weit war, kniete sich vor das abgedrehte Kind, hielt sie fest und erzählte ihr etwas. Danach war Tiita immer noch bockig, aber auch irgendwie peinlich berührt. Überhaupt sind die so genau im Kindergarten, nicht so flüchtig und faul wie wir eiligen Büromenschen und liberal-toleranten Amateure... die Hände werden gründlich abgetrocknet, ggf. noch einmal nachgewischt, alles wird genauestens gezeigt und erklärt, und wenn man das bei allen 20 Kindern machen muss. Die Kinder stehen in einer Reihe, bevor sie zum Essen gehen, alle haben Haussocken oder Schuhe an, auch wenn man schon zu spät kommt und es einfacher wäre, die einfach wegzulassen usw.
Es gibt keine Ausnahmen, weil so alles später sehr viel einfacher sein wird, aber die Kinder machen auch mit, weil sie anfangs sich halt noch nicht soviel Widerstand trauen wie zuhause - und dann ist auch schon die Routine da. Sehr beeindruckend. Zuhause könnte ich so Tiita ständig brüllend durch die Gegend zerren, wenn ich meinen Willen durchsetzen würde, da klappt nicht einmal der stille Stuhl. Nur etwas, was sie selber will oder einsieht, funktioniert, und natürlich darf sie nicht hungrig oder müde sein. Motivieren statt verbieten, anders geht es da nicht *seufz* So mauscheln wir uns durch die Abende und sind ab und zu geradezu überrascht, wenn sie jetzt mit vier Jahren anfängt, Grenzen von sich aus einzuhalten.
Ich habe zwar fast zehn Jahre lang Eltern gelesen, aber so ein Kindergartenpraktikum für werdende Eltern wäre wirklich gar nicht schlecht. Gerade uns Kleinfamilienmenschen fehlt immer wieder das Vorbild, wie man das mit den Zwergen denn nun wirklich machen muss. Afrikanisches Dorf sozusagen. Peitsche und Zuckerbrot. Familiencafés, Kindergruppen, Verwandte... ich sauge das immer alles auf wie ein Schwamm, vom Anziehen über Essen bis zum Durchsetzen von Regeln. Und dann ist es komisch, wenn das eigene, ganz lausig erzogene und superwilde Kind so gelobt wird =)
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