Donnerstag, 17. April 2008

Kampf dem Chaos...

Hu hu sagt der Finne, wenn etwas anstrengend ist oder ihm über den Kopf wächst. So ein ganz kurzes, schnaufendes, abgehacktes hu hu, nicht etwa "huuhuuu" wie wir Germanen sagen, wenn wir jemandem zuwinken. Also, so etwas habe ich gestern mehrmals gebraucht. War wieder einmal der totale Chaostag, aber irgendwie auch witzig und mit gutem Ausgang.

Zunächst einmal muss ich schreiben, dass sich Frida wirklich von Tag zu Tag mehr zu einem Kleinkind mausert. Wahnsinn, wie sie ihren kleinen Körper beherrscht, mit welcher Geschwindigkeit sie krabbelt, sich überall hochzieht, wie neugierig sie ist - und wie schnell sie ihr Umfeld total verwüsten kann. Was bin ich gestern hinter ihr hergestiefelt, um Zeitungen, Socken, Heu, Küchenutensilien, leere Flaschen, diverse Plüschtiere und den Inhalt meiner Handtasche wieder dahin zu stopfen, wo sie hingehören... Ich habe ja nichts gegen spielende Kinder, aber könnten die nicht mal wieder alles zurückräumen, wenn sie fertig gespielt haben? Frida wechselt die Gegenstände ihres Interesses im Sekundentakt und hinterlässt dabei ein Schlachtfeld *lol*

Das ganze wäre wahrscheinlich nicht so dramatisch, wenn ich nicht bei ihrem ersten Tagesschlaf im Bett mein geliebtes Koti & Talo gelesen hätte, wo die frisch gebauten beziehungsweise stilecht renovierten Häuschen vor Ordnung natürlich nur so glänzen. Solche Lektüre gehörte für Kinderfamilien verboten. Hehe, ich glaube den Begriff lapsiperheet gibts im kinderfeindlichen Deutschland gar nicht... Jedenfalls habe ich wieder einmal Anfälle angesichts des 59qm Chaos rings um mich bekommen. Also halb Frida bespielt und halb aufgeräumt - alle Klamotten wech, Waschmaschine mit Baby um die Wette ein- (ich) und ausgeräumt (Frida), dann Klappe zu und Wasser an, während das Kind jauchzend davorstand und gegen die Scheibe hämmerte, weil das da drin sich ja so lustig bewegte, dann Sofa entmüllt, Pappkartons zerlegt, Kommoden gerückt, Tupperware- und Geschirrschrank aufgeräumt (wieso stellen Männer immer alles einfach irgendwohin statt an seinen Platz?), Kühlschranktüren neu sortiert (sehen genauso durcheinander aus wie vorher), Wollmäuse zusammengefegt, dreimal Kakawindeln gewechselt, dreimal gefüttert und zweimal schlafen gelegt... bis ich dann endlich zu einem entspannten Nachmittagsspaziergang aufbrechen konnte.

Jaaa, Frida geniesst neuerdings Spaziergänge richtig. Sitzt wie eine kleine Prinzessin in ihrem Wagen und lässt sich durch die Gegend schaukeln, guckt Bagger (die im halbmetertiefen Schlamm des Permafrost versinken), Autos, Häuser und Bäume an, bis die Augen zufallen. Dann hängt sie wie eine Alleholleiche im Sitz, bis die böse Mami die Lehne in Schlafposition stellt (an alle Schwangeren... holt Euch stufenlos und behutsam verstellbare Fahrgestelle!), was man natürlich mit Jammern und Tränen quittieren muss, dann aber doch wieder einpennt und selig schläft, bis die Mama einen entweder gemeinerweise vor der Tür abstellen will oder bis die Mama die Jacke aushat oder im Idealfall bis die Mama das ganze Internet durchgelesen hat und sich wundert, wo das nervige Wesen steckt, was sonst ihren Alltag bis ins kleinste Detail bestimmt =) Ich hoffe, Ihr könnt Euch noch erinnern, dass Friederikchen es bis vor kurzem üüüberhaupt nicht im Kinderwagen ausgehalten hat!

Aber ich wollte ja schreiben, was uns noch gestern widerfahren ist. Nachdem ich fix und fertig von dem Aufräummarathon gegen fridasche Windmühlenflügel war, wollte ich eigentlich zu einem Windelnähabend des Kestoliina-Vereins. Männe sollte aufs Baby aufpassen, traf aber erst 1.5 Stunden nach seinem "Ich fahre gleich los"-Anruf hier ein. Aaargggh. Die denken auch nie nach... jedenfalls ist mein Männe lieb und verständnisvoll genug, um solche schiefhängenden Haussegen sofort mit Sanftheit und Nachgiebigkeit zu kitten, statt selber stinksauer zurückzumeckern, die Tür zuzuknallen und in eine Bar zu marschieren, wie ich selbst das wohl getan hätte. Zur Versöhnung haben wir schöne Leberwurstbrote mit Gurke gegessen (ich habe jetzt endlich finnikliche Leberwurst gefunden, die man nicht in Scheiben schneiden, sondern schmieren kann, haha) und dann sind wir eine Runde gefahren.

Nach Lievestuore, wo ein wirklich schönes, einstöckiges Häuschen aus den 50ern für den Preis unseres Reihenhauses verscherbelt werden soll. Mannomann. Richtig niedlich ist das, hellgrün, recht gut renoviert und mit einem schönen grossen Hof. Allerdings völlig in der verkehrten Richtung, weg von Männes Familie, zu nah an einer Strasse und mit knapp 30 km Entfernung auch nicht wirklich ein Katzensprung zur Arbeit. Zumal wir geldmässig nicht so gut ausgestattet sind, urplötzlich auftretende Reparaturen an Heim oder Auto aus der Portokasse finanzieren zu können. Aber irgendwann vielleicht... wenn die gleiche Hütte in Vesanka, Sarvenperä oder Kuohu gestanden hätte, sässe ich jetzt bei der Bank =)

Übrigens haben wir das Haus auf Anhieb gefunden, obwohl ich die Karte im Internet nur einmal und ganz kurz angeguckt hatte, jeaaaah. Natural born copilot sozusagen. Nur im Servicepark erwischte uns wieder Murphy's Law. Männe fährt ja immer ganz scharf die Kurven and und so kullerten in Vaajakoski sämtliche Pfandflaschen (man merke: in einer Finnenfamilie sind das einige Dutzend) aus ihrem Korb und meinem armen erschrockenen Hund zwischen die Beine. Hups. Also mussten wir schnell da shoppen gehen. Bei Valintatalo, einer Supermarktkette, die ich komischer- und vielleicht richtigerweise während meiner ganzen Finnlandzeit noch nie betreten hatte.

Erst suchte ich den Flaschenautomaten, der sinnigerweise nicht am Anfang des Geschäfts, sondern irgendwo ganz hinten zwischen Eiern und Milch angebracht war. Während Männe die quengelnde Frida festhielt, stopfte ich Flaschen und Büchsen in die Wand und glaubte schon, bei der versteckten Kamera zu sein. Jede dritte Flasche kam mit weithin hörbarem Piepsen zurück. Angeblich weil der Barcode nicht oben lag (seit wann ist das denn wichtig???), das Geschäft den Flaschentyp nicht erkannte, die Flasche falsch herum lag, zerdrückt war oder - und da guckte ich mich wirklich suchend um - das Gerät einfach voll war. Voll? Häääh? Was ist denn das für ein Billigautomat???

Entnervt und mit drei Quittungen in der Hand schlenderten wir weiter, Männe schimpfte über rosa Klebedinger, die ihn am Fussboden des Geschäfts festhielten, sicher Kaugummi oder Muumins-Fruchtbollos. Hahaha. Schnell wollten wir uns davonmachen, ehe das Dach des Ladens über uns zusammenbrach - und prompt stellte ich an der Kasse fest, dass mein Portemonaie zuhause auf dem Küchentisch lag. Natürlich würde Männe Geld dabeihaben. Hatte er aber nicht, die letzten Scheine waren zehn Minuten vorher in den Tankautomaten gewandert. Huch... wie peinlich ist das denn? Zumal wir im mittwochnachmittäglichen Schlampenlook losgefahren waren. Mein aussengeländerischer Akzent trägt ja auch nicht gerade zur Vertrauensbildung ein.

Jedenfalls fand sich auch nach gründlichem Suchen keine einzige Kreditkarte, kein winziger Euro und mit Handy kann man selbst in Finnland noch nicht bezahlen... Also mussten wir, bis auf Lakritze und Margarine, die wir vom Pfandgeld bezahlen konnten, alles dalassen =) Die Kassentante war dann auch noch zu doof, den ganzen Einkauf zu stornieren und unsere zwei Habseligkeiten neu zu scannen - jedenfalls wanderten Münzen mehrmals von meiner in ihre Hand und zurück, Belege wurden gedruckt und zerknüllt und am Ende war es mir egal, was sie da rechnete, solange wir nur schnell aus dem Laden konnten. Hahahahaha, genial! Wir Pleitegeier kaufen ein Haus und können nichtmal die Milch im Supermarkt bezahlen *ggg*

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