Irgendwie war ich früher immer zuverlässig, pünktlich und hatte alle sieben Sachen bei mir, aber seit meinem Jahr mit Spaniern unter einem Dach ist es mit der Pünktlichkeit vorbei, seit den ersten peinlichen Jungsgeschichen verbassle ich dauernd etwas und seitdem ich Mami bin, sind diese drei Sachen total aus dem Ruder gelaufen. Entweder die Gehirnzellen schrumpfen schon, das Thyroxin macht trottelig, Internet und Handy zusammen verursachen eine Matschbirne (das vermute ich übrigens schon lange) oder es liegt einfach daran, dass ich unter normalen Umständen an zehn Dinge gleichzeitig denken muss und da selbstverständlich die Hälfte von irgendwo hängen bleibt.
Jedenfalls ist Finnland ein herrliches Land für solche hoffnungslosen Fälle wie mich. Angefangen hat es mit einem Schal, einem grauen Fleeceschal, den ich im September 1999 kaufen musste, weil ich zwar Boots und Daunenjacke mit zum Studium nach Fennoskandia exportiert hatte, aber keinen meiner germanischen Schals. War mir damals als Musterschülerin ganz peinlich, aber ich wusse ja nicht, was noch alles kommen würde. Also einfach bei Seppälä 10 Euro, ääähm 30 Finnmark, ausgegeben und perfekt war die Winterausrüstung.
Der besagte Schal wurde zu einem meiner Lieblingsstücke (eben weil in Suomi gekauft), aber eines Tages war er verschwunden. Nicht wirklich verschwunden, aber eben so verschwunden, dass man sich was anderes um den Hals binden muss, wenn man im nordischen Winter nicht erfrieren will. Soweit war ich damals schon, dass ich mir keine ernsthaften Sorgen machte, sondern ihn nur unter den Haufen anderer Klamotten in meiner Bude oder in irgendeiner Tasche vermutete.
Tage, wenn nicht Wochen später wunderte ich mich über die eigenartige Form einer Lampe in unserer Strasse. Wie gesagt, es war tiefster Winter und wir sind immer mit dem Bus zur Uni - und eine der Lampen in der Roninmäentie hatte so eine komische Beule. Mmmmh. Irgendwann musste ich mal gucken, was das denn eigentlich ist - und prompt entpuppte sich das als völlig eingeschneiter Schal, der fest um den Laternenmast gewickelt war. "Ist aber nett, dass jemand den aufgehoben und hier festgebunden hat", dachte ich noch... und dann fiel mir wie Schuppen aus den Haaren, dass der Schal verdammt bekannt aussah. Ääähhm, das war ja meiner!!! Sicher beim Rennen zum Bus verloren und eine freundliche Seele hatte ihn gefunden und weit oben festgebunden, damit ihn jemand noch vor dem März, sprich Schneeschmelze, finden würde. Ohhh!!!
Damit ging die Basselei los. Drei Wochen später brachte meine spanische Freundin mir meine über alles geliebten schwarzen Thinsulate-Handschuhe aus Tromsö wieder. Die ich auch gar nicht vermisst hatte - Basselsuse hatte sie im Bus liegen gelassen, nachdem sie dort mit einem weitläufig befreundeten, superschnuckligen Finnen erzählt hatte (den mir dummerweise besagte Spanierin schon längere Zeit vorher vor den Augen weggeschnappt hatte...). Mmmh.
Danach gab ich es auf, immer wieder verschwanden Sachen spurlos, die (mit der Ausnahme von Socken) früher oder später auf mysteriöse Art und Weise wieder auftauchten. Gut erinnern kann ich mich auch noch, als einer unserer spanischen Mitstudenten seine Spiegelreflexkamera bei Anttila (einem grossen Warenhaus) an der Kasse hatte liegen lassen und die tatsächlich noch da lag, als er eine Stunde später schweissgebadet und völlig panisch dort wieder auftauchte. Finnland. Die haben noch was von den guten alten Werten. Auf dem Land lassen sie ja auch noch Haus- und Autotüren weit offen stehen und wenn man wollte, könnte man spielend leicht hier offen stehende Garagen und Baustellenhütten voller Werkzeug leer räumen, was sich gewisse osteuropäische Banden auch nicht dreimal sagen lassen =)
Also, baff bin ich jedesmal wieder, wenn die Finns nicht alles einstecken, was nicht niet- und nagelfest ist, so wie in Deutschland, sondern artig darauf aufmerksam machen, einem meterweit hinterherrennen oder es zur Kasse bringen, einen anrufen, das Ding zum Fundbüro tragen oder sonstwie aufmerksam sind. Und wieso ich das jetzt schreibe, wird auch wieder ein Roman: Im Juni hatten wir Meetings hier in Jyväskylä. Meiner einer schleppte neben vielen anderen Dingen, zig Kisten voller Papiere, Laptop und Webcam, einen tragbaren Drucker mit sich herum. Der steht ansonsten im Büro im Bücherregal, ein bisschen versteckt, aber doch sichtbar.
Jetzt haben wir ihn wieder gebraucht, für die nächsten Meetings in Amsterdam. Kiste leer, Drucker weg. Ach du liebe Güte... nachdem vier Personen sämtliche Autos und Regale durchgesucht hatten, nachdem ich akribisch Fotos überprüft und die Gehirnzellen durchforstet hatte, stellte sich heraus, dass er vielleicht doch im Hotel oder im Bus oder im Restaurant geblieben war. Rumtelefoniert - und tatsächlich: Sannesuse hatte das gute Teil offensichtlich im Bus liegen lassen. Unglaublich. Wenn das nicht peinlich ist.
Finnland sei Dank hatte das Busunternehmen den Drucker zwar für seltsam befunden (ausländische Tasche, komischerweise keine Kontaktdaten dabei, keine Papiere, kein gar nichts), aber nicht an die Polizei weitergeleitet (die verkaufen bzw. versteigern so etwas weiter), sondern brav darauf gewartet, dass sich der Besitzer schon melden werde. Drei Monate lang. Wobei ich für unsere Gäste während der gleichen Reise natürlich sämtliche Jacken und Kameras und vergessene Festplatten gerettet hatte, aber abends im Bus und bei einem selber hörte es dann auf. Puh, das also dazu.
Am gleichen Tag dann der zweite Fall: Am Donnerstag waren wir mit Tiita im Prisma-Shoppingparadies gewesen. Zeit totschlagen, bevor ihre Musikschule beginnt und gleichzeitig Theater zuhause vermeiden, wenn wir wieder los müssen. Als wir bezahlt hatten, kam plötzlich eine weinerliche Stimme, das ihre Mütze weg sei. Tatsächlich, weisse blumen- und diamantengeschmückte Reima-Kopfbedeckung nicht mehr auf dem blonden Schopf. Und nur noch 10 Minuten zur Musikschule, ach die Sch... Frida meinte, dass sie bei den Batterien verloren gegangen sei, aber bei dem Riesenladen weiss man ja nie. Nochmal losrennen? Warum hatte sie das nicht gleich gesagt?
Seufzend zum Muskari gefahren, und am Freitag mit Papa und Frida wiedergekommen, um die Mütze zu suchen. Gut gelaunt, weil der Drucker ja auch gerade aus der Versenkung verschwunden war. An der Info gefragt - nichts. Vor den Batterien gesucht - nichts. Verkäuferin interviewt, Strecke nachgelaufen und oben auf den Regalen geguckt, ob nicht wieder jemand etwas hochgehängt hätte - nichts. Frida war den Tränen nahe und Mami leicht sauer und schon ganz traurig, weil diesmal die netten finnischen Mitbürger doch versagt hatten. Der Hut war nämlich wirklich schön und kostet neu fast 20 Euronen, auch wenn wir ihn zu einer ersteigerten Jacke einfach so dazubekommen hatten. Den konnte bestimmt auch jemand anders gut gebrauchen.
Naja. Selber schuld. Weinender Tiita eine gestreifte Bommelmütze gekauft und schon besser gelaunt aus dem Laden. Noch einen Blick zu Hemtex, Lindex und Veikon Kone gleich daneben geworfen, plötzlich stehen geblieben und sich erinnert, dass wir da gestern auch mit Tiita gewesen waren, um die Canon Kameras zu testen. Vielleicht doch??? Gleich zu deren Kasse gelatscht, angehoben auf siansaksa-finnisch "Ähh, minun tytär on hukkunut hänen..." und schon fiel der Blick auf eine kleine weisse Blumenmütze, die gut sichtbar auf dem Tresen drapiert war. "Tämä on se!!!", genau die suchen wir!!!
Kaufmann lachte und gab und ohne weitere Fragen, und ohne nach dem Pass zu fragen, die Mütze, die bei den Kameras liegen geblieben war, Frida lachte und freute sich ein Bein aus und meiner einer war wieder einmal sicher, dass Finnland das beste und sicherste Land der Welt ist, wenn man leicht vergesslich ist. Kiitos Suomi + suomalaiset! Und kiitos Veikko =)
...wenn du so gut im wiederfinden bist, möchtest du mal nach meinem usb-stick ausschau halten? darauf befinden sich meine gesammelten arbeitsergebnisse der letzten zwei wochen. verloren habe ich ihn irgendwo auf dem seminaarinmäki, im halonen oder sokos ;)
AntwortenLöschenlg, katrin