Dienstag, 20. Juli 2010

Doof...

Doof ist, wenn man den finniklichen Alltag beginnt, wenn alle anderen noch Ferien haben. So kommt mir das dieses Jahr zumindest vor. Auch wenn die Schatten abends schon verdächtig lang sind, die Waldweidenröschen die ersten Fäden ziehen und die Sonne bereits gegen 22 Uhr viel zu gelb und rot knapp über dem Horizont steht. Laura und mein Chef und viele andere haben immer noch Urlaub und meiner einer kämpft mit den Konsequenzen. Normalerweise freue ich mich nämlich über die ersten kühlen Tage, an denen man plötzlich früh aufsteht, die ersten Fleecepullover überstreift, das im Sommer unheimlich gewachsene Kind zu seiner eigenen "Arbeit" bringt und dann im Büro mit den Kollegen Kaffee trinkt und ernste Sachen macht, statt sich faul am Badesee zu wälzen.

Aber nein, jetzt sind wir wohl die einzigen! Und viel zu früh! Ende Juli statt August, pah. Frida musste (durfte...) heute zu ihrer Ersatzpflegestelle in den Kindergarten. Sie findet es dort eigentlich immer toll, hat aber auch schon geweint, wenn sie ohne ihre eigene Tagesmami allein dort bleiben muss. Ich also mit Omi und gemischten Gefühlen morgens da hin. Tiita ganz schüchtern geguckt, aber mit den anderen 5-6 Kindern an einen Tisch gesetzt und zu malen angefangen. Mami gelacht und gewinkt, obwohl mir eher zum Heulen zumute war. Die beiden Erzieherinnen waren auch ganz nett und sanft zu ihr. Trotzdem wäre ich am liebsten den ganzen Tag dort geblieben, ich würde so gern mal Mäuschen spielen, was und wie die da so alles machen.

Schlimmer war nämlich noch, dass Omi und Opi abreisen würden. Die Frida so schön deutsch beigebracht haben und die für sie echte Kameraden geworden sind - kein Wunder, wenn jemand 24h und drei Wochen hier wohnt und endlich mal Zeit für sie hat - und so tolle Spiele und Reime und Lieder kennt. Wie sollen wir ihr das bloss beibringen? Ich selber bin schon immer am Boden zerstört und dann noch Tiita? Obwohl wir manchmal auch die Ruhe danach sehr genossen haben, die Dreisamkeit und das Gefühl, endlich wieder erwachsen zu sein und allein murkeln zu können, und zwar the finnish way of life =) Also mehrmals kurz angedeutet, gestern und heute, aber sich trotzdem nicht getraut, die ganze Wahrheit zu sagen, noch nicht.

Auf Arbeit war es auch sehr ruhig. Nur 463 Mails gelesen, Kollegin upgedated (alle anderen sind noch im Urlaub... ich sag es ja!), und gegen 15 Uhr totmüde wieder los, um die zu verkaufende Bude in Vorstellstatus zu bringen. Putzen und räumen und wischen... Puuh, wie mich das nervt... ich verkloppe die Hütte noch zum halben Preis, bloss um nicht einmal in der Woche hier eine Puppenstube aufbauen zu müssen. Naja, okay, gewaschenes Parkett sieht zugegebenermassen wirklich besser aus als unsere übliche Alltagsschmiererei.

Dann Frida abgeholt. Sie spielte lustig draussen, hatte Turnschuhe und Crocs mit ihrer neuen Freundin Tessa vertauscht (die Tagesmamikinder haben grösstenteils noch keine beschrifteten Klamotten) und zeigte Mami, wie man von der grossten Rutsche rutscht. Dann aber doch Kuscheln und Tränen. Müde und kaputt von so vielen neuen Eindrücken. Im Auto wollte man unbedingt nicht vorhandene Prinzessinenkekse haben *buuaaah* und als Mami auf die Frage, warum die Omi denn nicht mit abholen gekommen sei, auch noch wahrheitsgemäss antwortete "Aber Frida, die sind doch nach Halberstadt gefahren" (idiotisch von mir, ich weiss), war das Drama perfekt.

Klar weiss Frida inzwischen, wo Halberstadt und Saksa sind. Bitterliche Krokodilstränen, ganz lautes Schluchzen auf der Rückbank und Mama hätte am liebsten mitgeweint. Was soll man denn da sagen? "Wir fahren da bald hin, ja? "Jetzt gleich? Mit Deinem Auto???" staunte und bettelte das Kind. Nein, im Herbst, möchtest Du mit dem Schiff oder dem Flugzeug? Geschluchze, neeeeein, gleich hinterherfahren, ich möchte jetzt zu Omi und Opi!!!! Mit dem Auto. Och mannnoooo.

Wenn nicht nur alle Wirtschafts- und sonstige Flüchtlinge das gleiche Problem hätten, wir sind ja nicht die einzigen, aber es fühlt sich trotzdem Sch.... an. Selbst meine finnischen Freunde haben ihre Grosseltern ja weit weg auf dem Lande, und die Ossikinder wohnen in Bayern, NRW und sonstwo, wo es Arbeit gibt, und haben nicht den Luxus von praktisch immer verfügbaren Grosseltern wie wir früher. Also überall das gleiche. Aber ich gebe mir selbst die Schuld, weil ich ja selbst und auf eigenen Wunsch ausgewandert bin...


Abends in Kuohu spielte man dann aber schon wieder und alberte mit Mummo. Nächste Woche bekommen wir Besuch aus Schweden und dann ist Rally *cool* Und natürlich liebe ich mein Finnland über alles... vielleicht müssen wir Omi und Opi doch noch ein winziges rotes Häuschen irgendwo in Hinterkuckuckshausenkylä besorgen. Wenn doch nur alle Völker eine einzige Sprache sprechen würden - oder man zumindest im Handumdrehen finnisch lernen könnte... oder Beamen in Sekundenschnelle quer durch Europa. Das wäre doch mal ein neues Geschäftsfeld für die technologieverliebte finnische Wirtschaft.

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