Freitag, 28. Mai 2010

Ystävyys...

Irgendwie gibt es einen riesengrossen Unterschied zwischen dem, was man in (Ost)deutschland unter Freunden versteht und hier in Finnland. Oder es liegt daran, dass ich weder hier aufgewachsen, noch zur Schule oder gar zur Armee gegangen bin und natürlich finnisch immer noch mit tausend Fehlern und grusligem Akzent spreche.

Jedenfalls scheint es so, dass man in Deutschland nicht nur schneller und einfacher ins Gespräch und auf einen Nenner kommt (jaja, Klischees...), sondern die dort gewonnenen Bekannten auch treu sind wie deutsche Schäferhunde. Einmal kennengelernt, kann man sicher sein, dass sie einen auch noch Jahre später auf der Strasse grüssen, dass sie Mails und Postkarten schicken und sogar totbeleidigt sind, wenn man sie nicht besucht, sobald man mal wieder in der Heimat auftaucht.

Ganz anders die Finns. Zunächst ist es so gut wie unmöglich, fremde Leute kennenzulernen. In der Gym, in Kursen und anderen Stätten, wo man unfreiwillig aufeinandertrifft, geht man sich so weit wie irgend möglich aus dem Weg. Kein Gelaber über das Wetter oder die heruntergefallenen Sneakers oder wie furchtbar anstrengend das Gehampel denn heute wieder war. Die Finns sagen, dass man einander in Frieden lässt - und das kann auch ganz nützlich sein. Nur Fremde werden beispielsweise an der Tür begrüsst und wieder dorthin gebracht, andere dürfen selber ins Haus latschen und brauchen auch nicht hallo zu sagen - grobe Unhöflichkeit in deutschen Landen =)

Angeblich dauert es sehr lange, einen Finnen kenenzulernen und als Freund zu gewinnen. Aber wenn man dazu gezogen ist und noch niemanden kennt, muss man doch irgendwo neue Leute kennenlernen? Freunde von Freunden ist eine Methode. Oder auf der Arbeit oder gaaaanz lange Kurse, wo man sich zwangsläufig täglich sehen und miteinander umgehen muss. Ich schreibe das mehr theoretisch, weil ich meine richtigen, ursprünglichen finnischen Freunde während meines Austauschjahres hier kennengelernt habe und somit doch recht gut eingebunden bin - nur wir sehen uns dank Arbeitsstress und dem alles verschluckenden Moloch namens Helsinki kaum.

Damit wären wir beim zweiten Problem. To have and to hold. Die ollen kühlen Skandinavier sind alles treulose Tomaten. Gut, es kann sein, dass ich noch nicht in ihre intimsten Freundeskreise vorgedrungen bin und das als Ausländerin vielleicht auch nie werde (Stichwort Armee und Grundschule usw.). Aber auch sonst bringen die es nicht auf die Reihe, Freundschaften zu pflegen. Während meines Düsseldorfjahres habe ich mit meinen spanischen, französischen, holländischen, englischen, französischen und germanischen Kameraden gemailt, dass die Finger glühten. Sogar gegenseitig besucht haben wir uns und ewige Freundschaft geschworen.

Habe ich in der Zeit auch nur eine einzige Mail von einem Finnen bekommen??? Nööö, obwohl wir in ihrem Land studiert haben und hier die allerdicksten Freunde waren. Kaum stand ich allerdings wieder in Jyväskylä und versendete die ersten SMS, tauchten sie nacheinander wieder auf. Viele stolz, jemandem aus dem Ausland zu kennen - auf dem Level blieb es dann aber auch. Genauso wie jetzt in Facebook - ja, da sind sie alle und drücken fleissig "gefällt mir" Knöpfe, kommentieren und posten Bilderchen. Mit neuen Bekannten kann man sich über Deutschland unterhalten, aber ansonsten Fehlanzeige. Junge, ich wohne da schon zehn Jahre nicht mehr und habe keine Ahnung, wer welcher Minister ist oder wie die Kinderbetreuung jetzt geregelt wird...

Okay, in Düsidorf hatte ich auch nur ganz wenige Freunde und die waren auch noch aus Schottland und sonstwoher. Aber da sollte ich ja auch nur für zwei mal vier Monate wohnen und nicht für die Ewigkeit und da habe ich mir auch gar keine grosse Mühe gegeben. Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie 1990 ein Freund aus Minden (NRW) bewunderte, wie wir Ossikids zusammenhielten und wie gute Freunde wir waren, während er nicht einmal wusste, wieviel Mitschüler sie in der dortigen Hauptschulklasse überhaupt hatten...


Die finnikliche Mentalität ist anders als zuhause, irgendwie sehr viel selbstbewusster, eigennütziger und selbständiger. Das, was gerade am besten passt, wird mitgenommen. Alles andere kurzfristig abgesagt. Chatfenster zugehauen, Parties nur, wenn nichts besseres ansteht, von Geburtstagsfeiern jenseits der 20 keine Spur, spontane Besuche schon gar nicht und wann habe ich das letzte Mal mit einer Finnin telefoniert?

Gut, ich bin ja auch selbst schuld mit meiner Schreiberei... inzwischen auch so verunsichert und schüchtern, dass ich liebe maile und facebooke, als auch nur einen von ihnen einfach mal so anzurufen oder mich selbst einzuladen, wie das Männe z.B. öfter mal macht. Wenn mal das Telefon klingelt, erschrecke ich mich total und stammle nur unsinniges Zeug. Dann wird natürlich aus der zwischenmenschlichen Kommunikation auch nichts. Aber selbst wenn wir uns denn mal getroffen haben, auf der Strasse oder im Supermarkt oder auf meine Initiative im Restaurant - es kommt nie etwas zurück. Keine Gegeneinladungen, keine "das war aber schön"-Mails und so etwas, Fehlanzeige. Aus den Augen aus dem Sinn.


Gut, ich habe Männes riesige und superliebe Familie. Und meine ehemaligen Freunde. Die ich momentan nur noch einmal im Jahr auf der genialen Neste Oil Rally sehe. Aber seitdem Frida da ist, und sich niemand und keiner mehr bei mir gemeldet hat (wenn sie was wollen, fragen sie über Männe... aarrggh), habe ich auch keinen Bock mehr, dort die liebe nette deutsche Freundin zu spielen. Die können mich nämlich alle mal. So, dass musste jetzt gesagt werden. Im übrigen habe ich total nette Leute im Babycafé und beim Mamaschwimmen kennengelernt, die sogar meine FB-Freunde sind - das heisst wir haben uns nicht aus den Augen verloren. Aber von denen meldet sich auch niemals keiner nicht persönlich. Wahrscheinlich sehe ich Leute als Freunde, die in Finnland unter "schonmal gesehen und drei Worte gewechselt" laufen =) Was wiederum damit zusammenhängt, dass wir z.B. beim internationalen Wirtschaftstudium hier ziemlich amerikanische Verhältnisse hatten, wo ja jeder jeden gleich zum lebenslangen Kamerad erklärt.

Naja, egal. Ich bin jedenfalls immer wieder erstaunt, wer z.B. meinen Blog liest und wer im Gesichtsbuch kommentiert - das sind mindestens zu 50% meine Netzfreunde, die ich noch nie gesehen habe! Die aus dem Namensforum und aus Eltern und alten Meerimailinglisten, sogar uralte Hundeforen und Ausländergremien, dazu Blogschwestern (hey, ich bin schriftlich witziger als im real life!!!) und in Finnland lebende Deutsche und einige deutschlandliebende Finnen, mit denen ich regelmässig zu tun habe.

Aber echte Finns? Meine richtigen Freunde??? *hust räusper verschluck* Vielleicht fehlen auch die Nuancen, die kleinen Gesten im Gespräch - aber gerade so etwas soll es ja hier gar nicht geben. Oder die fürchten sich vor den lauten, lustigen und gefühlsduseligen Mitteleuropäern, lassen sie gar nicht erst an sich heran. Die Grosstadt mit ihrer Anonymität und den tausenden Alternativen tut ein übriges dazu. Und Prioritäten verschieben sich - Leute ohne Kinder sind sicherlich genervt, wenn man mit der hundersten Fridastory ankommt - während ich inzwischen zu misstrauisch bin, mich wirklich auf neue Bekannte einzulassen.


Darauf gekommen bin ich übrigens nicht nur, weil ich von Jahr zu Jahr enttäuschter und frustrierter werde, sondern auch weil Männe und ich am Donnerstag einen Aufruf zu einem Subbotnik verfasst haben. Unsere vor allem noch kinderlosen Freunde könnten uns helfen, die alte Wohnung so in Schuss zu bringen, dass wir uns trauen, den Wohnungsmakler für ein Preisangebot einzuladen. Von Käufern ganz zu schweigen. Mir ist das Aufräumen vorher sogar noch wichtiger als das allgemein übliche gemeinschaftliche Kistentragen, was wir schon mehrmals erfolgreich im Freundeskreis geübt haben. Vor allem nach dem Chaos was wir nach drei Jahren durchwachter Nächte und gehetzter Abende in, auf und unter den Schränken haben *grusel*

Jedenfalls 30 Freunde eingeladen, sechs haben sofort per Mausclick abgesagt, eine deutsche (!) noch relativ flüchtige Bekannte hat sich ganz lieb entschuldigt und dann wären da noch 23 andere, die "unsicher" sind. Boah, die lesen alle ständig ihre Mails und der Grossteil davon sind nach meinen Kriterien richtig gute Freunde... aber natürlich muss man erst gucken, ob am Sa nicht noch eine andere Party läuft oder vielleicht die Sonne scheint und man baden gehen kann oder überhaupt, saubermachen??? Selbst bei kostenlosem Bier und Pizza und Cider...

Ich sehe schon, wir müssen das alleine stemmen oder Fachleute für 30 €/Stunde minus 60% Steuervorteil beauftragen. In Finnland hat man es nicht so mit moralischen Verpflichtungen und Liebesbezeugungen und Höflichkeit. Und wenn jetzt morgen dreissig Mann mit Schrubber und Besen in der Hand vor der Tür stehen, mache ich ein Foto und entschuldige mich postwendend bei allen Blauweissblütern, ja? Männe meint nämlich, ich sei eine furchtbare Pessimistin und Panikmachtante. Ich bin mal gespannt.

Oh und noch etwas positives zum Schluss... in meinem Englischkurs sprach mich neulich eine Frau ganz freundlich an, ob ich mich noch an sie erinnere, wir waren zusammen auf einen Adobe CS Kurs im Sommer. Huuu, ich habe innerlich so gegrinst.Wir hatten im August tatsächlich kein Wort gewechselt und ich hatte sie für eine total arrogante Ziege gehalten. Cool! Und gestern im Schwimmbad in Laajavuori hat eine ältere Frau mit Frida und mir deutsch geredet, von ihren Enkeln erzählt und über Vornamen diskutiert. Und eine Familie aus Joensuu mit zwei kleinen Jungs hat gefragt, wie wir das mit der zweisprachigen Erziehung machen. Heh. Vielleicht liegt es ja daran dass ich jetzt kurze Haare habe und Brille trage und mit meinen Trainingshosen auch ganz wie ein echter Finn aussehe *prust*

7 Kommentare:

  1. jaja, die aus joensuu können mit "fremden" reden... ;-)
    allerdings muss ich sagen, dass es in süddeutschland auch nicht so ist wie bei dir in ostdeutschland. da dauerts auch deutlich länger bis man sich als freunde bezeichnet und man ist mehr auf abstand.
    und dieses wohnung-aufräumen-im-freundeskreis-vor-dem-verkauf/umzug kenne ich von da gar nicht.
    finnische "freunde" habe ich hier in joensuu auch nicht, nur gute bekannte. meine freundin hier ist aus ostdeutschland...
    ansonsten sind sie hier im osten nicht ganz so zurückhaltend wie in südfinnland und man kommt deutlich öfter und einfacher mit den leuten ins gespräch.
    aber wie gesagt, zu meinen freunden zähle ich hier in joensuu noch keine finnen, das sind nach süddeutschem standard alles gute bekannte.
    grüssle vom schneemaennchen

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  2. Ich habe 27 Jahre in D gelebt und bin vor 10 Jahren in meine Heimatstadt (Joensuu ;-)) zurückgekehrt. Ich habe auch feststellen müssen, dass die Finnen ganz anders sind als die Deutschen. Obwohl ich den hiesigen Dialekt spreche, hatte ich grosse Schwierigkeiten neue Freunde zu bekommen. Anfangs war ich froh, dass keiner Fragen stellte, warum ich zurückgekehrt bin, aber nach einiger Zeit fand ich, dass es den Leuten gar nicht interessiert. Nun habe ich durch meinen Freund einige Kontakte bekommen, aber Freunde würde ich sie nicht unbedingt nennen, es ist alles oberflächlich. Intensive Gespräche über Gott und die Welt führe ich mit einer Deutschen, die ich hier kennengelernt habe. Ihr geht es hier genauso wie Dir.
    LG
    Maija

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  3. Du sprichst mir aus der Seele - habe mich so manches Mal gefragt ob es an mir liegen könnte. Es ist wirklich schwierig hier, nach 4 Jahren kenne ich teilweise meine Nachbarn in unserer Strasse nur vom zuwinken...über die erste Tupperwareneinladung habe ich mich damals wie dolle gefreut, habe das doch als positives Zeichen gewertet, leider Fehlanzeige, die Einladung erfolgen wirklich nur aus dem einen Grund, um Umsatz zu machen. Aber ich will nicht komplett unfair sein, es gibt sie natürlich, die berühmten AUSNAHMEN,leider sind die aber sehr sehr rar - und meistens kennt man diese dann auch schon seit Jahren.....
    Als "Kölner" bin ich hier vermutlich auch völlig falsch - mentalitätsmässig gesehen aber irgendwie passt man sich ja im Laufe der Jahre doch an.
    In diesem Sinne,liebe Grüsse, Annja

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  4. du sprichst mir aus der seele. genau mit dem thema befasse ich mich auch seit wochen. ich versuche einfach mal ne richtige freundschaft mit ein paar finnen aufzubauen. darf nach zwei jahren doch nicht zu viel verlangt sein oder? aber wie um himmelswillen soll dies hinhauen. ich blick bei deren freundschaftsmodellen einfach nicht durch. falls jemand den dreh raus hat, ich hör mir gern tipps an.
    - nadine

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  5. Zusammen saufen und saunieren gehen hilft übrigens etwas, zumindest für den Moment. Am nächsten Tag kennt man sich dann allerdings genau so wenig wie vorher, weil sich keiner erinnern kann oder will... vielleicht taugt das erst ganz langfristig.

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  6. Hallo! Ich lese reglmässig deinen Blog. Mal etwas anderes und doch ein ähnliches Kernproblem: Bin nach Fuerteventura gezogen und auch überrascht, wie schwer ich als sehr offener Mensch Anschluss finde unter den deutschen (!) Kollegen. Ich dachte, das geht ganz fix.
    Einheimische kennenzulernen, wenn man im Tourismus arbeitet, ist auch nahezu unmöglich.
    Das sind die Schattenseiten, die viele nicht sehen....

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  7. Wir leben seit 3 Jahren in den USA und ich kenne sehr, sehr viele Leute, aber ob wir in Kontakt bleiben, wenn wir wieder wegziehen???

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