Dienstag, 22. Juli 2008

Zombie...

Haaa, irgendwie hat gestern eine neue Zeitrechnung angefangen - ich kann das alles noch gar nicht glauben. Die letzen Tage waren ja mehr als bedeppert gewesen, Weltuntergangsstimmung irgendwie. Zig Fotos von Nelson gemacht, ihn ständig angeguckt und bewundert und sich vorsichtig ein Leben ohne ihn vorgestellt. Meine Hoffnung vom Urlaub, dass er es als Strassenhund schon schaffen würde, war immer kleiner geworden und gestern war ich sicher, dass ich ihn zum letzten Mal sehen würde. Ich bin noch einmal mit ihm spazieren gegangen, habe ein schönes Foto mit Halstuch im Wald gemacht und dann sind wir zum Tierarzt. Glauben konnte ich es immer noch nicht, es war wie im Film, aber die Minuten gingen einfach so um und ich konnte nichts aufhalten.

Erst hat Nelson eine Beruhigungsspritze bekommen und ich sass eine halbe Stunde neben ihm auf dem Fussboden, habe ihn gestreichelt und immer wieder angeguckt. Nelson, der die Nacht genauso wie ich grauenhaft schlecht geschlafen hatte, rannte immer nur im Kreis herum und hechelte, hechelte hechelte. Sicher wusste er, dass irgendwas nicht stimmte. Und ich liess unsere sechs Jahre Revue passieren, dachte an die Regenbogenbrücke und an Flügelhunde und an die bald nicht mehr vorhandenen Hundehaare auf unserem Fussboden. Mmmh. Good bye my best friend...

Die Schwester nahm Hundi Blut ab für eine letzte grosse Untersuchung. Ich zählte weiter die Minuten, wartete ungeduldig darauf, dass Nelson müde werden und sich hinlegen würde. Irgendwie konnte ich es nicht abwarten - grotesk... ich dachte immer wieder "nun geh schon", aber gleichzeitig machte ich mir die ganze Zeit bewusst, dass ich ihn jetzt zum letzten Mal gehen, gucken, hecheln und schwanzwedeln sehe, dass dieser wunderschöne und liebe Hund zum letzten Mal vor mir steht und dass ich den Moment eigentlich noch geniessen sollte. Komische Gedanken, schliesslich war er ja noch da und putzmunter.

Schliesslich kam die Schwester wieder. Mit sehr besorgtem Gesicht. Nelsons Nierenwerte waren relativ schlecht, was das Operationsrisiko noch weiter erhöhte. In dem Moment war mir vollkommen klar, dass daraus nichts mehr werden würde. Das war's Lars, Du hast einmal einen Hund gehabt. Den siehst Du nicht wieder, ab morgen hat Susku keinen Nelson mehr. So klar wie Klossbrühe war mir das plötzlich und dann schossen auch schon die Tränen in die Augen. Obwohl ich gar nicht wollte. Die Schwester fragte halb, ob wir trotzdem operieren sollten, sie riet aber unbedingt dazu. Ich sagte so gleichgültig wie nur möglich und Nelson streichelnd, dass ich gestern noch viele Fotos von ihm gemacht hätte und dass es okay sei, wenn er gehen würde. War es ja auch... schliesslich hatte ich mich schon wochenlang an den Gedanken gewöhnt.

Wir hoben dann Nelsie zusammen auf den OP-Tisch, er bekam einen Zugang in die Pfote gelegt und dann sollte ich gehen. Ganz nervös drückte ich den Schwestern noch mein durchgeschwitztes Nachtshirt in die Hand - vielleicht würde sich ja Nelson im Schlaf an uns erinnern, wenn er das Müffelteil vor der Nase hat und doch wieder zurückkommen. Er wurde nochmal gestreichelt, tschüss gesagt und das war's. Zum letzten Mal gesehen. Dass ich nochmal zurück musste, weil ich glatt mein Handy im OP liegengelassen hatte, war irgendwie irre - aber so habe ich halt zweimal "winke winke" gemacht. Dann endgültig weg und ins Auto gesetzt.

Auf dem Parkplatz regnete es in Strömen und genauso kullerten bei mir die Tränen. Mir war plötzlich klar, dass der Abschied schon in diesem Moment stattgefunden hatte und nicht erst, nachdem Nelson gegangen war. Das war es also... schon in diesem Moment war ich also allein und nicht erst, wenn ich sein Halsband und seine Leine aus der Tierklinik tragen würde. Fcuk fcuk fcuk... er war doch mein bester Freund gewesen! Eben noch so lebendig und so vertrauensvoll mitgekommen. Warum nur???

Wie betäubt sass ich im Auto und las Talo & Koti. Rief Mika an, sagte ihm zehnmal "I-i-ich bbbin gar nicht t-t-traurig" und "nein, ich w-w-weine nicht" und "i-i-ist schon okay". Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht gestottert und war selbst überrascht, dass ich vor kaum ein Wort herausbekommen habe. Alle Konsonanten doppelt und dreifach und ich habe nach Luft geschnappt wie ein Fisch. Dabei war ich wirklich nicht traurig, eher erleichtert - aber die Tränen flossen einfach so und ich konnte überhaupt keinen zusammenhängenden Satz sagen. Gehirn wie ausgeschaltet. Dann vergingen die Minuten irgendwie, draussen goss es in Strömen, Weltuntergangstimmung, wie passend. Nelson würde in diesen Momenten gehen, piiiiieeeeep würde der Monitor sagen und seine liebe Seele über das Häuserdach geflattert kommen.

Dann klingelte das Telefon. Ich überlegte sekundenlang, ob ich ihn mitnehmen würde oder ob er dableiben sollte. Ob ich ihn vielleicht noch einmal sehen könnte oder gar streicheln. Wie sie mir es sagen würden. Die Schwester war am Telefon und sagte mit einer ganz sanften Stimme, dass die Narkose gut verlaufen sei. Dass die Narkose gut verlaufen sei. Aber Patient tot, nicht wahr? Nein, sie sagte etwas anderes. Dass Nelson gerade aufwacht und dass ich ihn in einer halben Stunde abholen könnte.

Waaaaaass???? Das kam in meinem Szenario überhaupt nicht mehr vor! Ich hatte mich doch schon von ihm verabschiedet, zig Fotos geknipst und mich gedanklich an ein Leben ohne Hundeschnauze gewöhnt. Und jetzt kommt der zurück? Total irreal. Sicher würde er doch noch irgendwie abklappen, Komplikationen, Wärmeschock oder so etwas. Bloss nicht freuen. Mika heulte fast am Telefon, als ich es ihm sagte. Eine halbe Stunde später hob ich dann tatsächlich einen grauen nassen Sack ins Auto. Mit aus dem Maul hängender Zunge, ganz schlapp und leise brummend. Meinen Zombiehund. Da war er wieder. Nix mit tot.

Und jetzt fühle ich mich wie im "Friedhof der Kuscheltiere". Da läuft ein Hund durch die Wohnung, der eigentlich gar nicht da sein dürfte. Ein bisschen krank und schlapp und mit einer Narbe statt Eierchen, aber quicklebendig. Nelson ist also nochmal von der Regenbogenschippe gesprungen und ich kann es immer noch nicht glauben =) Euer Daumendrücken hat geholfen!!! DANKE... ich werde erst später begreifen, wie knapp das alles war.

7 Kommentare:

  1. Oh, wunderschön. Ich freu mich für Euch und wünsche noch viele schöne gemeinsame Momente!

    Und nebenbei: Das ist wahnsinnig wunderschön geschrieben, man kann das richtig rauslesen, was Nelson Euch bedeutet und ich hätte fast mitgeheult. ;)

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  2. Hallo ihr Lieben

    Habe mir gerade die Tränchen weggewischt. Boah das ging ja an die Substanz.
    Doch dann ein Happy End.
    Gib der eierlosen Knutschkugel einen dicken Knuddler von mir.
    Das hat er prima hinbekommen. " Frauchen überraschen!"

    lg Steffi

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  3. Oh, das zu lesen freut mich so sehr liebe Susku :-)
    Weiterhin alles erdenklich Gute für Opa Nelson, das er rasch wieder auf die Beine kommt und mit euch gemeinsam noch wunderschöne Zeiten erleben darf !
    Seid ganz lieb gegrüßt ...

    Carol

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  4. Hallo Susku!
    Ach ich freu mich so für Euch mit, guter Nelson Hundi, toll dass er die OP überstanden hat und alles Gute für sein weiteres Leben!
    Gruß Andrea und die Niederrheinpoegskes aus der DMSL

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  5. Hallo Susku!
    Schon lange lese ich Deinen Blog und verfolge alles,was so bei Euch passiert.Schon lange vor Fridas Geburt.
    Aber Dein Bericht über Euren treuen Nelson hat mich einfach besonders gerührt und jetzt wollte ich einfach ein paar Zeilen schreiben.
    Als ich eben Deine Eintragung von gestern las,mußte ich einfach heulen.Ich weiß genau wie weh es tut,wenn man seinen Hund gehen lassen muß.Ich habe meine Kyra letzten Oktober an den Krebs verloren,es ging alles so schnell....Sie durfte immerhin etwas über 13 Jahre alt werden und war nie krank,hat mich all die Jahre freudig begleitet.
    Ich drücke ganz doll die Daumen,das Nelson jetzt schnell wieder fit wird und Euer Abschied noch ganz weit weg ist.Noch habe ich keinen Hund,aber es soll diesmal ein Tierschutzhund sein-aus Spanien.
    Liebe Grüße und alles Gute für Euren Grauwolf Nelson!Antje aus Schleswig-Holstein

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  6. Oh, ist das schön!!!! Ich freu mich so für dich. Mir sind beim Lesen schon die Tränen gekommen, und ich musste mein Hundetier ganz kräftig knuddeln. Furchtbar, wenn ich mir vorstelle, daß ich ihn irgendwann hergeben muß! Nein, nicht dran denken.
    GAnz liebe Grüße und alles gute für Nelson. Päppelt ihn schön auf!!!

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  7. SUSKU! Mir laufen die Tränen, dabei gibt es doch ein Happy End! Ich kenn Dich nur mit Nelson und mag Dich auch gar nicht ohne ihn kennen (;)).

    Nelson, bleib Deiner Familie und den Bloglesern noch lange lange erhalten!

    Viele Grüße
    Jessica

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