Donnerstag, 8. Juli 2010

Kopara + Aarnilampi...

Zur Abwechslung noch mehr Rentiere. Irgendwie neigt die Ferienwoche sich schon wieder ihrem Ende zu und wir arbeiten das restliche touristische Angebot hier ab, wo wir noch gar nicht richtig angefangen haben =) Heute also Rentiersafari. Zum Rentierpark Kopara zwischen Pyhä und Luosto gefahren. Sah aus wie eine kanadische Ranch, mit vielen Ausläufen und Prärie und Stangenzelten und schönen Bergen im Hintergrund. Eimer mit Poropellets abgeholt und los ging es. Erst nur Schilder mit Wissenswertem über die Fellviecher in sechs verschiedenen Sprachen, rechts und links zäune. Ich kam mir vor wie im Jurassic Park, gleich würden die wilden Biester über uns herfallen =)

Dann kamen sie auch, am Ende des Pfades war eine Art Hof mit Sitzplätzen, Hütten, Schlitten und vielem mehr und dazwischen tapsten die Rens herum. Eins war tatsächlich total wild und kippte uns fast um, wenn wir es füttern wollten. Hilfe, so eine dicke braune Schnauze und so riesige samtig behaarte Hörner, die vor einem herumfuchteln, während das weiche Maul abwechselnd Hände und Eimer traktiert. Hihihihi. Die anderen Tiere waren etwas scheuer, aber das war vielleicht auch ganz gut so. Frida war die Angelegenheit nämlich ziemlich unheimlich, aber das kann ich mir gut vorstellen, wenn man nur einen Meter gross ist und da so grosse hirschartige Tiere herumlaufen.

Hinterher gab es noch Kaffee und Heidelbeerkuchen im grossen Haupthaus der Farm, wo auch Rentiergeweihe, Pullis, Jacken, Messer, Schmuck und andere Raritäten angeboten wurden. Mit wunderschönem weiss gekalkten Ofen... Frida naschte wieder Eis und kaufte sich selber Schokoeier zur Feier des Tages, wir werden wirklich noch dick und fett in unserem wohlverdienten Urlaub. Männe kaufte uns gefrorenes Rengulasch, Poronkäristys, was im Gegensatz zum im normalen Laden erhältlichen auch keinen Zadder enthalten soll. Bin ich ja mal gespannt. 25 e pro Kilo... also wenn das nicht schmeckt, weiss ich es auch nicht =)

Ansonsten war ich auch wieder von der Nettigkeit und Gastfreundschaft der Leute hier begeistert. Der Onkel erzählte uns viel über Lappland und die Rens und man konnte alles mögliche fragen. Genauso freundlich wie die Einheimischen in Läden, Hotels und anderen Unternehmen. Klar sind sie in JKL auch sehr nett, aber hier kommt einem alles persönlicher vor und weniger durchorganisiert - vielleicht auch weil es im Sommer eh nur sehr wenige Urlauber gibt. Egal wo wir hinkommen, sind immer nur so 2-4 Familien mit uns unterwegs, wenn überhaupt und selbst im grossen Hotel rennt der jeweilige Anstellte von der Rezeption zur Bar, zum Laden und zum Restaurant und hin und zurück, wenn man etwas will.

Danach war noch viel vom Tag übrig und wir wussten angesichts einer sehr wehleidigen Frida (Heimweh?) nicht wirklich, was wir noch unternehmen sollten. Quengel und das nicht und nein und überhaupt.... Heiss war es auch und die Sonne knallte. Also erst einmal zu dem kleinen Verkehrspark vor dem Amethysthotel. Frida Bekanntschaft mit Tretautos geschlossen und mit Papis Hilfe um kleine Kirche, S-Market und Tankstelle gekurvt, während Mama Saft geholt und das Klo getestet hat.

Beim nächsten Heulanfall dann doch ins Auto und erstmal ins Mökki zurück, wo alle Beteiligten sich etwas ausruhen bzw. sofort wieder herumgeistern konnten. Mittagschlaf, wozu soll das denn gut sein? Wespennest unter dem Dachfenster gefunden, Fenster sofort wieder zugehauen, vor wilden Insekten in Sicherheit gebracht *ööörrkkkks* und weinendes Kind getröstet. Das baden wollte, und nach Hause nach Palokka und nach Laajavuori... also doch Badesachen eingepackt und wieder los.

Um den Ahvenlampi in Luostos Zentrum sollte ein rollstuhl-, kinder- und buggyfester Weg gehen. Wir an den See gelatscht, Aussicht genossen und einen breiten Steg auf eine kleine Halbinsel in Angriff genommen. Frida rannte hin und her und lachte und freute sich und rammte sich einen Splitter in den grossen Zeh. Währenddessen bereiteten sich Millionen von Mücken auf ihr Abendbrot vor, stiegen aus dem Sumpf und Morast und stürzten sich auf die deutschen Urlauber. Ach die Sch... das war wohl doch keine gute Idee, zumal Tiita auf den paar Metern Rückweg gleich wieder getragen werden wollte. Am Parkplatz wieder eine ganze Horde Rentiere. Und ein ganzer Bus voll deutscher, Rentiere knipsender Rentner *ggg*

Dann offiziellen Badestrand gesucht. Querstrassen zwischen urigen, aus grossen grauen Baumstämmen gebauten Ferienhäusern abgesucht und mit innerer Karte verglichen, ein paar Rens und Hasen verscheucht und dann gefunden, den Aarnilampi. Ganz in Ruhe, nicht weit weg von der Strasse, aber direkt vor dem Luostotunturi gelegen, mit malerischen schlanken Fichten und wild bewachsenen Ufern im Hintergrund und mit ölglatter Wasserfläche. Wow! Sogar einen Sandstrand gab es und einen kleinen Steg und es war windig genug, um die Mücken und Bremsen in Schach zu halten.

Frida gleich Sachen weggeschmissen und nackig und später mit Badeanzug gebadet und im flachen Wasser gespielt. Mami-Wasserratte erst mit hochgekrempelter Hose rein und dann doch umgezogen und plantschen gegangen. Im polaren See. Hach, war das schön! Auch alle Streitereien und Magenschmerzen und Kleinkindfrust vergessen, sondern einfach nur genossen. Kind hüpfte sogar vom Ende des ca. 1 m über die Wasseroberfläche ragenden Steges ins Wasser - und nicht immer an meinen Händen *blutundwasserschwitz*

Die Kleine hat wirklich einen Mut und eine Ausdauer bei so etwas! Ich rede mir nur den Mund fusslig, dass sie den Mund zumachen soll, wenn sie untergluckert, statt sich kaputtzulachen, und ich hoffe, dass sie bald lernt, dass es lebenswichtig ist, den Kopf oben zu lassen und überhaupt im Wasser ein bisschen vorsichtiger zu sein. Bis zur Brust geht sie schon ins Wasser und wenn sie da umfällt und nicht wieder hochkommt... aber wir sind ja immer in der Nähe. Und unser Mökki hat keinen See - ich weiss noch zu gut, wie ich letzten Sommer tagaus tagein nur gerannt bin, damit das wilde Kleinkind nicht in den Hankasalmer See fällt.

Als wir schon aufbrechen wollten und den letzten Sand aus den Sachen schüttelten, kam noch einmal die Sonne heraus. Inzwischen seitlich vom Berg, also mit ganz weichem Licht und ohne die Kameras zu blenden. Der See spiegelte sich ganz magisch und die Bäume waren grün statt schwarz und wir kamen aus dem Staunen und Fotografieren gar nicht mehr heraus. So etwas schönes und so ein schöner Urlaub überhaupt. Was eine Woche Erholung schon ausmacht. Auch wenn alle mit schlaflosen Nächten zu kämpfen haben, wenn die Mücken nerven und ich alle paar Stunden dieses Ziehen im Magen und diese tiefe Traurigkeit und Sinnlosigkeit habe, die meiner Meinung nach immer noch vom Umzugs-, Arbeits- und Familienstress herrühren.

Hoffentlich wird das besser, wenn wir zumindest unsere Wohnungsangelegenheiten geregelt haben. Manchmal denke ich, dass ich noch nicht einmal Nelsons Tod richtig verarbeitet habe. Und dass wir dringend an unserer Beziehung arbeiten müssen. Aber die Tage laufen einfach weiter, und ich tue mich auch schwer damit, als einziger Sprachkundiger hier zwischen ziemlich verschiedenen Welten vermitteln und planen zu müssen. Zuhause immer und jetzt im Urlaub. Aber das nur nebenbei. Bloggen als Therapie sozusagen.

Das mit Nelson ist mir vorhin eingefallen, als wir noch an einem Grilli angehalten haben, wo es neben Frischer Hausmannskost auch Souvenirs zu kaufen gab. Unter anderem gefilzte Hunde, die nach Kundenwünschen bzw. Fotos gestaltet werden. Mein Nelson... passenderweise sass bei den Leuten auch ein grosser Schäferhund im Kofferraum, der gefilzt auf der Theke stand. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass auch Remu aus Estland kommt, und zwar über Rekku Rescue und den Koiratarha Kulkuri. Super!!!

Draussen haben wir den Kerl dann noch einmal extra lieb begrüsst und gestreichelt und mit den Leuten geredet (ich sage ja, die sind alle supernett und aufgeschlossen hier). Vielleicht vermisse ich meinen Hund doch mehr als ich es seit seiner ersten Operation zugebe. Vielleicht hat er auch Mika und mich besser zusammengehalten. Vielleicht wird es auch besser, wenn Tiita grösser ist und nicht mehr so zickt oder ihr eigenes Zimmer hat und besser durchschläft oder falls Männe endlich mal arbeiten geht. Oder ich muss bei mir anfangen, zwischen den eigenen Löffeln Ordnung schaffen und optimistischer werden. Wer seit Jahren schon alles im Alltag mehr oder weniger unter den Teppich kehrt und immer wieder einfach nur zur Tagesordnung übergeht, statt den Dingen auf den Grund zu gehen, zu diskutieren und wirklich konstruktiv Lösungen zu suchen, muss sich nicht wundern, wenn irgendwann ein Kamel das Gras wegfrisst. Aber insgesamt war wirklich ein schöner Tag.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen