Ha, wir haben also wirklich ein ganzes Wochenende nur zu zweit verbracht, auf diesem klitzekleinen Ferienhaus nur ca. eine Stunde von hier entfernt. War einerseits genial, aber andererseits auch sehr ernüchternd. Aber vielleicht von Anfang an.
Oma und Opa haben Frida gleich von der Tagesmami abgeholt und zu sich mitgenommen, damit wir freie Bahn und nicht sofort ein schlechtes Gewissen hatten. Wir schnell gepackt und dann los. Nicht ohne ein bisschen Abenteuergeist - schliesslich wussten wir, dass die meisten Lebensmittelgeschäfte wegen Streiks geschlossen sein würden - aber trotzdem fuhren wir grinsend an unseren Stammgeschäften vorbei, um auf dem platten Land die letzten Einkäufe tätigen zu können und damit die lokale Wirtschaft zu unterstützen (sprich: Bier und Würstchen für Männe). Die Sonne lachte und die Seen rechts neben der Strasse wurden immer grösser. Wohlgemerkt, noch zugefroren, aber schon ganz dunkelgrau und mit hübschen weissem Schleiermuster überzogen. Darüber dicke schwarze Wolken mitten in einem knallblauen Himmel, die ebenso vom Eiyafjüllawhatever hätten stammen können.
In Uurainen natürlich himmlische Ruhe und sämtliche Dorfläden geschlossen. Ich freue mich ja immer wieder über finnische Kleinstädte, die allesamt ziemlich gleich aussehen und die gleichen Ketten nebeneinander aufgereiht vorweisen können - Schule neben Alko neben S-Market neben K-Market neben Kela neben Pizzeria neben Bar und das war's. Aber hat auch was, nämlich Landidylle, weniger Stress, mehr Platz und billige Häuser, hehe. Müssen wir halt weitersuchen, verhungern tut im schönen Finnenland niemand, und der Kofferraum war ja auch voll. Erstmal weiter nach Lannevesi. Die Familie, die unser Haus vermietete, wohnte selbst in einem schicken, halbfertigen Haus und feierte gerade Kindergeburtstag.
Dann unser Mökki. Vautsi, das sollte ja nur 30 qm haben, aber in der Praxis war es richtig geräumig. Und vor allem superschick eingerichtet, mit riesigen Fenstern, einem warmen schwarzen Steinfussboden, Sauna, Dusche, Kamin, Schlafsofa, historischen Extrabett und Küche mit allem, was man so braucht. Umfeld noch halbe Baustelle, aber das Ding ist ja auch erst ein Jahr alt und die Schweinies durften sowieso nicht mit. Der See auch gleich daneben, sogar mit Sandstrand und viel grösser, als ich das erhofft hatte. Sehr cool. Männe freute sich natürlich am meisten über die Grillhütte. Und ich über das Design insgesamt - das war mal etwas anders als die bunt zusammengewürfelten Häuschen, in denen wir bisher mit Hund und Family logiert hatten.
Dann sind wir fix die 16 km nach Saarijärvi gefahren. Dort sollte zumindest ein Laden geöffnet sein. Richtig, K-Market mit allem, was das Urlauberherz so braucht. Einkaufskorb vollgepackt und natürlich mehr eingesackt als geplant =) Zurück aufs Mökki und Erholung offiziell gestartet. Was macht man dann so... Taschen ausgeräumt, Abendbrot gemacht, Plumpsklo und Sauna getestet, danach noch die Grillhütte in Beschlag genommen und Bett gebaut und durch den TV und das Handyinternet gezappt und ein Bierchen zum Abschluss (Wein vergessen zu kaufen) und zzzz ZZZZ zzz. Gespräche drehten sich natürlich um Frida, aber so richtig zum Reden kamen wir gar nicht. Ist ja auch schwer mit so einem Finnen, der nach jedem Satz am liebsten erstmal seine Ruhe haben möchte *lach*
Für den zweiten Tag waren wir uns eigentlich einig, dass wir erst in Ruhe frühstücken und dann Frida holen würden, weil es zu zweit doch viel zu langweilig war. Männe fiel dann ein, dass das Abholen insgesamt drei Stunden dauern würde und wir aufgrund der fortgeschrittenen Stunde dann erst wieder abends zurück sein würden, was auch irgendwie total für die Katz wäre. Also Grosseltern angerufen, ob sie das Kindchen nicht vorbeibringen und dann gleich mit uns essen wollten. Lockvogelangebot sozusagen. Antwort: Nö, die spielt gerade so schön mit ihrer Cousine und hat keine Lust. Ähhhm, das hatte ich nicht erwartet. Ich denke, Tiita vermisst uns ganz schrecklich??? Erst später ist mir eingefallen, dass Männes extrem alleholfeindlichen Eltern wahrscheinlich dachten, wir könnten nicht fahren und sie müssten das auch noch unterstützen...
Aber egal, also nochmal 24 Stunden allein mit dem ewig mürrischen Finn. Meinereiner versuchte auszuspannen. Draussen allein im Wald herumgelatscht und einen schönen plätschernden Frühlingsbach, zwei alte Boote und knallgrüne Heidelbeeräste für die Vase gefunden. Männe kam dann auch dazu und wir bauten einen kleinen Biberdamm in die Botanik (Spass gemacht). Dann nach Saarijärvi zum Shoppen gefahren. Hat auch richtig Spass gemacht, wir haben so ganz in Ruhe im Laden Dinge entdeckt, die es gaaaaanz bestimmt nicht bei uns in Jyväskylä gibt. Im Auto kann man auch relativ gut reden. Und Rally fahren. Und halbgespiegelte Fotos machen.
Zurück in unserer Urlaubsoase. Essen vorbereitet. Männe wieder in der Grillhütte, Hähnchen gegrillt und ich drinnen in der Gesellschaft von Spargel und Sosse und Semmelbröseln. Mmh. Aber ist auch mal schön, ganz seine Ruhe zu haben. Dann kam etwas über afghanische Steppen und gruslige Magdeburger Massaker im Fernsehen, keine Afghanen dabei, aber trotzdem super interessant (zuhause gucke ich fast kein TV, Yle Teema ist aber wirklich klasse!!!) Zwischendurch immer mal Facebook begutachtet. Internet sollte eigentlich aus bleiben, aber wenn Männe eh wo anders ist... =)
Lesen stand auch auf dem Programm, ich hatte extra für diesen Zweck meine niegelnagelneue "Schöner Wohnen" und einen Erziehungsratgeber (hrrmmm) eingepackt. Sehr coole Sache, danach fühle ich mich immer super inspiriert und glücklich. Aber nicht, wenn man die gute Zeitung draussen auf der Schaukel liegenlässt. Was mit dem nächsten Disaster zusammenhängt - ab dem späten Nachmittag fing es an, draussen schön gleichmässig und ekelhaft zu SCHNEIEN. Ganz toll. Aus der fröhlichen grünen und bunten Landschaft wurde innerhalb einer halben Stunde ein graues, trübes Einerlei. Ich habe nichts gegen Schnee im allgemeinen und besonders im November/Dezember. Aber jetzt war es erschreckend, wie die Farben verschwanden. Und wie meine draussen vergessene inspirierende Einrichtungszeitschrift (übrigens mit finniklichen und Wernigeröder Holzhäusern!) von vorn bis hinten durchweichte und damit fast unleserlich wurde. Grumpf, maul, stink.
Wenn man schon keine tiefgreifenden Gespräche führen kann, könnte man sich zumindest angiften =) Männe stänkerte herum, als ich am Abend trotz Neuschnees noch einen Spaziergang unternehmen wollte, bevor es endgültig dunkel wurde. Ich war sauer, weil man auf dem sandigen, ansteigenden Weg mit mangelnder Fitness kaum vorankam und weil Männe alle hundert Meter fragte, ob wir denn schon umkehren können. Vor allem, weil danach sein dämliches Eishockey stundenlang nervenderweise aus dem Radio klang. Und er dann mit ein paar bösen Flüchen das Radio ausschaltete, weil die fast zu Schweden gehörenden Turkuer seine liebe Heimatmannschaft geschlagen hatten. Mannomann, wo ich Intoleranz und Ignorantentum so hasse. Dann auch noch Uutisvuoto, so eine nervende Comedysendung (7 Tage 7 Köpfe?), die alle Finns sonnabends abends lieben, die mir aber zu anstrengend und zu schnell ist. Ich denke, wir machen was zusammen?
Männe dann alleine in die Sauna (Frau bockt jetzt auch, will Haare nicht schon wieder nass machen) und nochmal grillen und meiner einer in den modernen Medien von Zeitschrift, Fernseh und Internet unterwegs. Klar, jeder hatte seine Ruhe und insgesamt war das ja auch, was wir wollten. Aber frustrierend ist es schon, so nach drei Jahren Dauerstress plötzlich aufeinander losgelassen zu werden. Ich verstehe gut, dass Rentner oft den absoluten Koller bekommen, wenn sie sich tage- und wochenlang ertragen müssen. Dabei verstehen Männe und ich uns eigentlich sehr gut, haben den gleichen schwarzen Humor und doch teilweise ähnliche Interessen - aber so ganz ohne Frida versucht jeder erst einmal, nur sich selbst zuzuhören und dann war es das eben. So viel zu unserem romantischen Ausflug.
Am Sonntag endlich wieder ein gemeinsames Projekt. Frühstücken (jeder was anderes... Reste von gestern), Männe trinkt als einziger Finne im Universum auch keinen Kaffee und isst ganz bestimmt nix anderes als english breakfast, dann aufräumen. Okay, Männe Grillhütte und ich drinnen. Aber zumindest ein Ziel und man kann sich ja zumindest über konkrete Dinge unterhalten, wie die Location des Schrubbers und des Ascheeimers und der restlichen Fressalien... Zum letzten Mal die wunderschöne Bude genossen. In das Gästebuch geschrieben, dass wir ganz bestimmt wiederkommen, aber nur mit der ganzen Familie. Und im Auto überlegt, ob die kleine Tiita wohl schon wartet - die schlief tief und fest in Omas Bett und fand es ganz selbstverständlich, als Mami und Papi plötzlich in der Stube sassen. Meine Kleine...
Aber insgesamt war es doch sehr schön. Vor allem das Haus, die Ruhe, die Zeit, die man für sich selbst hatte, das gute Essen, der immer hübsch gedeckte Tisch, die Farben, der Ausblick, der Vorgeschmack auf den Sommer und auch der sehr wichtige Einblick, dass es eben nicht das arme Kind ist, was uns mit seiner Hibbeligkeit nervös macht und aufeinander losgehen lässt, sondern nur wir selbst. Also zu dritt besser kommunizieren, machen lassen, und mal bewusst versuchen, nett zueinander zu sein statt sich ständig mit Vorwürfen zu überhäufen, denke ich. Oh, und natürlich denkt Männe, dass wir gar kein Problem hätten *lach* Haben wir ja vielleicht auch gar nicht. Aber ich stecke seit einem Jahr in so vielen offenen Dingen fest, dass sich das zwangsläufig irgendwo projiziert. Und kulturelle Unterschiede, finanzielle Dinge und die Tatsache, dass der arme Männe auch noch meinen Freundeskreis ersetzen muss, machen es nicht einfacher. Mmmh.
Das hört sich "schwierig" an.Aber du hast das alles so toll beschrieben....kennst du das Buch "die 5 Sprachen der Liebe"? Würde es dir sonst sehr gerne schenken. Ich denke, es ist ein Buch das euch etwas unterstützen könnte.
AntwortenLöschenWünsche dir viel Kraft, Weisheit und auch Freude!